
"Yalla, pass!“ - Die Sprache dazwischen
Auf dem Schulhof ruft ein Junge: „Yalla, pass!“ Der Ball fliegt, die anderen lachen, das Spiel läuft. Und
wer genau hinhört, merkt: Hier wird gerade nicht nur gespielt hier wird eine neue Sprache gesprochen.
In unserer DaZ-Vorklasse treffen Schüler:innen aus aller Welt aufeinander. Sie kommen mit Arabisch, Kurdisch, Ukrainisch, Französisch, Türkisch, Russisch, Persisch und lernen gemeinsam Deutsch.
Doch bevor sie „richtig“ Deutsch sprechen, schaffen sie sich eine eigene, gemeinsame Sprache. Eine, die aus Fragmenten besteht, aus Mut, aus Intuition. Eine Sprache dazwischen.
„Ich machen Fläche, du schreiben Linien.“
„Geometrie ist Kopf kaputt.“
„Merde, nicht gut!“
Diese Sätze wirken auf den ersten Blick wie gebrochenes Deutsch. Doch wer hinhört, erkennt: Das ist kein Defizit. Das ist klug. Es ist der Versuch, Brücken zu bauen, sich verständlich zu machen, dazuzugehören. Es ist Kommunikation pur; schnell, ehrlich, unperfekt und voller Bedeutung. Ich nenne das: die Sprache dazwischen.
An unserer Schule begegnen wir dieser Sprache jeden Tag, im Unterricht, auf dem Schulhof, im
Zwischenruf beim Sport. Sie erinnert uns daran, dass Kommunikation kein Prüfungsfach ist, sondern ein Werkzeug, um das Leben zu gestalten und dass Menschen, die nicht perfekt Deutsch sprechen, oft mehr verstanden haben als viele, die es können.
Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni wollen wir daran erinnern: Nicht wer grammatikalisch korrekt ist, ist Teil der Gesellschaft, sondern wer sich einbringt. Wer spricht. Wer zuhört. Wer mitspielt.
Unsere Schule ist mehr als ein Ort für Regeln und Stoffverteilung. Sie ist ein Ort, an dem Sprache wächst. Nicht nur in Büchern, sondern zwischen Menschen.
Text: Chris El Bissani